Den Heidelberger Ruderklub verbindet eine über 60-jährige Freundschaft mit der Société Nautique du Perreux (SNP) an der Marne, nicht weit vom Zentrum Paris entfernt. Die Hintergründe dieser Freundschaft finden sich in der Klubzeitung 2024 (https://hrk1872.de/klubzeitung/).
Der Präsident Antoine Charron kommt regelmäßig mit Trainern und Sportler*innen zur Heidelberger Regatta und hat mir die Hintergründe und Details zu dem Projekt eines umfänglichen Neubaus des Bootshauses erklärt.
Hintergrund:
Das älteste und historische Gebäude der SNP stammt noch aus dem Jahr 1903, hier gab es die ersten Bootslager mit Booten, Umkleiden, Duschen und Toiletten. Genau 50 Jahre später, im Jahre 1953, konnte ein nahe gelegenes Grundstück mitsamt Gebäude erworben werden. Und neben der historischen Boots-Garage wurde 1985 seitens der Stadt Perreux ein Restaurant gekauft, das an die SNP verliehen wurde. Diese beiden Immobilien waren allerdings nicht speziell fürs Rudern ausgelegt und von daher nicht optimal, dennoch wurden sie sofort in den Ruderbetrieb integriert. In den darauffolgenden Jahren entstanden hier ein Kraftraum, ein Ergometer-Raum, weitere Bootslager und das Ruderbecken. Als 2005 eine hinter dem Klub lebende Witwe ihr Haus verkaufen wollte, nahm dies der SNP-Vorstand zum Anlass die Gemeinde darüber zu informieren, dass bei einem zukünftigen Neubau dieses Grundstück dringend benötigt würde. Schon zu diesem Zeitpunkt war man sich auf Seiten unserer Ruderfreunde in Perreux darüber bewusst, dass der Zahn der Zeit an den existierenden Gebäuden nagte. Denn alle diese Gebäude sind mittlerweile über 100 Jahre alt. Teilweise begann schon die die Decke abzufallen, der Saal des alten Restaurants musste in den letzten Jahren mit 19 Bau-Stützen gesichert werden.
Kurze Zeit später begann man sich 2008 intensiver damit zu beschäftigen, wie man das Projekt eines kompletten Neubaus und dem Ziel alle Einrichtungen in einem großen und funktionalen Bootshaus vereinen zu können, am besten umsetzen könne, es wurden die ersten konkreten Pläne gezeichnet.
Diese wurden dann auch der Gemeinde vorgelegt, die allerdings andere Projekte priorisierte: zuerst war es die Neugestaltung des Rathausplatz mit einer Tiefgarage, im Anschluss folgte dann auch noch der Neubau einer Schule. Aus Sicht der Gemeinde verständlich und nachvollziehbar aber die SNP konnte nicht mehr länger warten und erklärte der Gemeinde, dass man notfalls einen eigenen Plan verfolgen werde: ähnlich wie die Finanzierung und Nutzung des aktuellen HRK-Bootshauses wolle man die Finanzierung mit einer Mischung aus Rudern und Wohnen gewährleisten und das Projekt auch in Eigenregie stemmen. Nun ließ sich der Oberbürgermeister aber nicht länger bitten und die Gemeinde Perreux übernahm das Neubauprojekt des SNP Anfang 2023.
Das Konzept:
Das Konzept sieht so aus: die Gemeinde baut das Gebäude und übergibt die Nutzungsrechte an die SN Perreux. Die oben erwähnten Grundstücke, deren Eigentümer die SNP war, wurden allesamt an die Gemeinde verkauft um mit dem dadurch gewonnen Geld das Interieur, Stellagen, Boote etc. finanzieren zu können. So entsteht in den nächsten Monaten ein wunderbares neues Bootshaus. Mit der Gemeinde arbeitet die SNP sehr eng und erfolgreich Hand-in-Hand zusammen. Wissenswert ist, dass in Frankreich die Gemeinden die Sportvereine nicht nur mit Nutzungsrechten von Gebäuden und Sportplätzen unterstützen, sie bezahlen auch Trainer und Ausbilder.
Der Baufortschritt:
Der Abriss hat mittlerweile stattgefunden und mit dem Neubau wurde ebenfalls schon begonnen. Seit September 2024 wird der Fortschritt mit einer Zeitrafferkamera dokumentiert.
Geplant ist, dass der Neubau Ende 2025 fertig sein soll, und danach sieht es momentan glücklicherweise auch aus. Allerdings beginnen nach Bauabschluss langwierige Kontrollen der frz. Behörden. Erst wenn diese erfolgreich abgeschlossen sind, kann sich die SNP ums Interieur kümmern. Momentan gehen aber noch alle hoffnungsvoll von einer Einweihung im Mai 2026 aus. Bonmot am Rande: auch der Zement aus Heidelberg spielt bei diesem Projekt eine sichtbare Rolle.
Das Übergangsszenario:
Es gibt ein fein ausgetüfteltes sportliches Übergangsszenario, denn ohne den geliebten Rudersport will und kann man natürlich nicht leben: Das Gebäude 7, Quai d’Argonne darf die SNP weiter nutzen. Hier lagern einige Schul- und Anfängerboote. Die größeren Boote bis zum Vierer lagern in einer nah gelegenen ehemaligen Wäscherei. Dort findet auch nach einem strengen und genau getakteten Zeitplan Kraft und Ergometertraining statt. Die Achter lagern auf einem Parkplatz, ca. 500 m vom Steg entfernt. Dreimal pro Woche gibt es Avi-Fit (einer Mischung aus Fitness und Ergometertraining), ca. 1,2 Kilometer entfernt vom alten Bootshaus. Alle Mitglieder stehen hinter dem Projekt und unterstützen es, nur ganz wenige Rudernde sind deshalb ausgetreten. Und das, obwohl es rund um die SNP viele weiter Ruderverein an der Marne gibt.
Das Energiekonzept ist natürlich nachhaltig: Für Heizung und Kühlung wird das Wasser der Marne genutzt, die Boote werden mit aufgefangenem Regenwasser geputzt. Und dann gibt es zukünftig auch eine Werkstatt und wieder das liebgewonnene Ruderbecken.
Autor: Thomas Palm
Bilder: Antoine Charron