Lisa Gutfleisch hat uns besucht. Die Vielbeschäftigte war für zwei Tage zwischen vielen Trainingseinheiten und in Vorbereitung auf die Ruder-WM vom 21.-28. September 2025 in Shanghai (China) nach Heidelberg gekommen. Natürlich zu ihrer Familie aber auch für einige Stunden in den Heidelberger Ruderklub. Am Montag wurde sie durch unseren Präsidenten Michael Stittgen und den HRK-Jugendlichen empfangen, mit denen sie dann auch einige Stunden im Klubsaal verbrachte. Es gab viel zu erzählen, gemeinsam wurde Pizza gegessen und einige Unentwegte haben sich auf dem Ergometer gemessen.
Im Anschluss ging es dann in den HRK-Biergarten. Hier wurde sie freudig von der HRK-Familie begrüßt und Lisa erhielt von Michael die goldene Ehrennadel. Denn sie hat in dieser Saison nicht nur die Silbermedaille bei der Europameisterschaft im Doppelvierer gewonnen, sondern in der gleichen Disziplin auch ihr Rennen in Luzern und den Gesamt-Weltcup.
Nach der Ehrung stand sie uns zu einem Interview zur Verfügung.
Tom:
Lisa, schön, dass du da bist! Du kommst nun seit vielen Jahre immer wieder gerne zu einem Spontanempfang in den Biergarten, denn es gibt alle Jahre wieder einen Grund mit Dir zu feiern.
International so richtig los ging das bei Dir im Jahre 2017. In diesem Jahr bist Du deutsche Meisterin im Juniorinnen-Einer geworden und bist zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen worden. Dort hast Du es bei der U19-WM im Einer bis in A-Finale geschafft. So ging das all die Jahre weiter. Zwischendurch warst Du studienbedingt in den USA, dort warst Du 2021 und 2022 US-Meisterin mit dem Frauenachter der University of Texas.
Kurz vor Paris musstest Du den Doppelvierer leider verlassen, Du hattest zwischenzeitlich ein verletzte Mitruderin vertreten und warst für die internationale Ruderwelt die Super-Sub (Substitution). Das ist seit diesem Jahr anders.
Wie fühlt sich das nun an, nicht mehr Super-Sub zu sein, sondern als fester Bestandteil des Doppelvierers?
Lisa:
Ja, das ist auf jeden Fall anders. Es kostet weniger Nerven, man hat mehr Ruhe und Konstanz fürs Training. Es ist nicht mehr dieses, okay, kann sein, dass ich morgen vielleicht einspringe oder nicht. Und dann geht’s los und man hat einfach überhaupt keine Vorbereitung. Man fühlt sich ein bisschen sicherer in dem, was man macht. Man hat seinen Platz, man hat seine Aufgabe im Team und die vielen gemeinsamen Ruder-Kilometer helfen auf jeden Fall auch, die Regatten ein bisschen solider zu absolvieren.
Tom:
Jetzt hattest du im Winter eine Handverletzung. Was hat diese Verletzung gemacht, wie lange hat sie Dich ausgebremst?
Lisa:
Ich hatte im Dezember eine OP, da wurde eine Zyste im Handgelenk entfernt und bis zur EM im Mai hatte ich noch Probleme mit der gesamten Muskelkette, hatte viel Physio und habe meine Übungen gemacht. Nach der EM hat es irgendwie Klick gemacht und durch die Belastung, aber auch ausreichender Erholung zwischen den Tagen hat sich das irgendwie wieder eingespielt und seitdem ist eigentlich alles sehr gut.
Tom:
Ja, wie man sieht, tiptop. In diesem Jahr hattest Du einen sehr großen Erfolg bei der Europameisterschaft in Plovdiv als Vize-Europameisterin. Beim Weltcup in Luzern habt ihr aber gewonnen. Nicht nur das Rennen, sondern auch den Gesamtweltcup. Was war für dich schöner?
Lisa:
Schwierig zu beantworten. Die EM war ja am Anfang der Saison und wir wussten eigentlich noch gar nicht, was wir von uns erwarten können. Bei der EM war es sehr durchwachsen, der Vorlauf war gar nichts. Im Finale haben wir das viel besser hinbekommen.
Aber Luzern ist auf jeden Fall mein Favorit, also auf dem Rotsee Gold zu gewinnen bedeutet auf jeden Fall richtig, richtig viel. Man spürt die besondere Atmosphäre dort, sogar während der Rennen, auch wenn sehr konzentriert ist. Wir konnten zwei konstante Rennen fahren, ohne viel Auf und Abs. Wir haben nochmal einen Schritt nach vorne gemacht und konnten uns verbessern und das wurde mit Gold belohnt und dem Gesamtsieg. Luzern hat auf jeden Fall viel mehr Spaß gemacht. Gold ist immer besser als Silber.
Tom:
Du hast übrigens an eine alte HRK-Tradition eingeknüpft. Es gab vor dir ausschließlich Frauen, die auch schon auf dem Rotsee gewonnen haben. Allerdings ist das mehr als 30 Jahre her. Was mir auffällt ist, Ihr fahrt wenige Regatten, wenige Rennen, Ihr trainiert wahnsinnig viel. Wie vertreibt ihr Euch die Zeit dazwischen?
Lisa:
Ja, also wir haben jetzt eigentlich noch mal bis zur WM die Wochen und Monate so aufgebaut, wie eigentlich ein ganzes Trainings-Jahr, wir fangen jetzt nochmal komplett mit dem Aufbau an, steigern das Ganze dann wieder in die Belastungen. Zudem haben wir die Trainingsstunden erhöht, da ist relativ wenig Zeit für Freizeit.
Bis 17 Uhr wird trainiert, weil zwischendurch auch viel Erholung benötigt. Dann bleibt eigentlich abends nur noch sich mit Freunden treffen, zusammen Abendessen kochen und ins Bett gehen.
In Ratzeburg, bei der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung, haben wir dann auch noch mehr Zeit mit mehr Leuten, die wir sonst nicht sehen. Da wird wahrscheinlich viel Mario-Kart gespielt, das ist eigentlich so unser Go-To, auch auf Regatten, wenn man viel Zeit zwischen dem Rennen hat oder noch einen freien Tag, daneben spielen wir auch Karten.
Tom:
Und wie ist die Stimmung bei euch im Team? Mein Eindruck ist, es ist noch ein bisschen besser als im letzten Jahr. Ist das so? Was macht ihr anders?
Lisa:
Die gute Stimmung und eine bessere Kommunikation und Teamwork wurde auf jeden Fall von unserem neuen Cheftrainer, Markus Schwarzrock, angefordert. Der hat das von Anfang an gefordert und dieses wird nun auch fleißig umgesetzt. Es gibt jetzt auch ein bisschen mehr Spaß und Teamausflüge. Die Stimmung bei Wettkämpfen ist einfach viel entspannter, auch wenn man einmal eine Niederlage hat. Man kann hingehen, man traut sich zu sagen, hey, es war trotzdem cool, auch wenn es nur ein Handschlag ist oder irgendwie eine Faust. Man unterstützt sich da und das merkt man, dass es einfach insgesamt mehr Spaß macht.
Die Stimmung im Doppelvierer ist gut. Wir wissen alle, was wir machen. Wir kennen uns sehr gut. Und so gibt es auch wenig Überraschungen bei Wettkämpfen.
Zudem haben wir haben auch das Feedback anderer Nationen bekommen, dass die gesamte Nationalmannschaft jetzt stimmiger auftritt, entspannter ist und nicht mehr so steif.
Die Entwicklung des Teams, der Leistung und das Teamwork passen jetzt einfach besser.
Tom:
Du hast uns vor zwei Jahren ein Interview gegeben. Da war eine Aussage von Dir, wenn das jetzt mit den olympische Spielen 2024 in Paris nichts wird, dann gehe ich auf jeden Fall noch Richtung Los Angeles 2028. Ist das noch so?
Lisa:
Ja, genau. Jetzt ist das nächste Ziel LA 2028. Und da gibt es auf jeden Fall viele kleine Ziele, die bis dahin noch abgehakt werden müssen und das nächste ist auf jeden Fall jetzt zuerst einmal die Ruder-WM 2025 in Shanghai. Bis LA28 ist es noch ein bisschen hin, da kann auch noch viel passieren. Aber ich freue mich auf den Trainingsprozess.
Tom:
Wir uns auch, wir drücken Dir ganz feste die Daumen.
Zum Abschluss gab es dann vom HRK-Präsident Michael Stittgen noch den obligatorischen HRK- Blumenstrauß und anschließend saßen alle in lockerer uns geselliger Runde mit Lisa zusammen.
Ihre nächsten Starts finden bei den German Finals vom 31.7. bis 3.8.2025 in Dresden statt. Hier wird im Rudern eine Sprintregatta ausgerichtet und Lisa startet sowohl im Einer wie auch im Achter.
Autor: Thomas Palm